Der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), eine Art der Schildzecken ist der wichtigste Überträger der bekannten Borreliose und der Frühsommermeningoencephalitis (FSME).
Weniger bekannt ist, dass Schildzecken noch mit anderen bakteriellen Erregern infiziert sein können: Anaplasmen, Babesien, Ehrlichia und Rickettsien. Erkrankungen des Menschen mit diesen Erregern in Mitteleuropa sind allerdings Raritäten. Anaplasmen und Ehrlicha befallen dabei die Granulozyten (weiße Blutkörperchen), Babesien befallen Erythrozyten (die roten Blutkörperchen). Krankheitssymptome sind vor allem Fieber, Abwehrschwäche und durch den Zerfall der roten Blutkörperchen hervorgerufene Gelbsucht. Rickettsien sind in Mitteleuropa ohne Bedeutung, sie rufen z.B. das Rocky Mountin spotted fever und andere Fleckfieber hervor.
Somit bleiben also auch bei kritischer Betrachtung die beiden bekannten Erkrankungen Borreliose und FSME „die“ durch Zecken in Mitteleuropa hervorgerufenen Erkrankungen.
Beide Erkrankungen können schwer verlaufen und haben daher eine hohe Bedeutung. Allerdings wird die Häufigkeit der Erkrankungen meist überschätzt.
Vor der Impfära gegen FSME wurden in Österreich jährlich 600 bis 800 FSME-Fälle beobachtet, derzeit sind es 50 bis 90 Fälle. Durch die Impfung wären 99% verhinderbar. 1 – 2% der Erkrankten sterben, 3 – 11% haben bleibende Schäden wie Lähmungen und die meisten Patienten haben eine lange Genesungsphase unter anderem mit häufigen Kopfschmerzen.
Etwa nach 1,5 bis 6% der Zeckenstiche kommt es zu einer Infektion mit Borrelien. Oft ruft diese Infektion aber keine Erkrankung hervor. Zur manifesten Erkrankung kommt es in etwa 0,3 – 1,4% (Robert-Koch-Institut).
Während die FSME-Viren bei einem Zeckenstich rasch übertragen werden, brauchen Borrelien ein bis eineinhalb Tage, bis sie von der Zecke in den Menschen gelangen. Eine rasche Entfernung der Zecke bietet daher einen gewissen Schutz gegen Borreliose, nicht aber gegen FSME.
Wie bei den meisten durch Viren übertragenen Erkrankungen, gibt es gegen die FSME keine kausale Behandlung. Antibiotika sind nicht wirksam.
Gegen Borreliose sind Antibiotika wirksam.
Während der praktische Umgang mit FSME aus Patientensicht einfach ist (unbedingt impfen, sonst muss man halt das Risiko tragen und im Erkrankungsfall unter symptomatischer Behandlung, eventuell intensivmedizinischer Behandlung abwarten, ob man stirbt, Schäden davon trägt, oder wieder gesund wird), ist die Sachlage bei der Borreliose ein wenig komplizierter.
Auch aus der Sicht des Arztes ist die Borreliose nicht ganz simpel. Es gibt nämlich keinen Laborwert, der einfach aussagt: „der Patient leidet an Borreliose“. Es gibt einige Symptomkomplexe die typisch für eine Borreliose sind und in Kombination mit gewissen Laborwerten mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Borreliose sprechen. Allerdings gibt es auch eine Vielzahl von unspezifischen Symptomen, die unter anderem auch bei Borreliose auftreten können und bei manchen Menschen zu der unbegründeten Überzeugung führen, dass sie an Borreliose leiden. Kompliziert wird die Situation noch dadurch, dass sehr viele Gesunde, schon einmal mit Borrelien Kontakt hatten und damit auch ein gewisser Laborwert positiv ist. Dieser Laborwert beweist aber nur, dass der Patient schon einmal Kontakt mit Borrelien hatte, was ohnehin nicht unwahrscheinlich ist, nicht aber die Erkrankung.
Aber der Reihe nach:
Borreliose:
Infektion:
Überträger Ixodes ricinus (der gemeine Holzbock) aus der Familie der Schildzecken.
Lediglich bei weniger als 5% der Zeckenstiche kommt es zur Infektion, die aber häufig durch die körpereigene Immunantwort eliminiert wird und gar nicht zu einer Erkrankung führt.
In ungefähr 1% kommt es allerdings zu einer manifesten Erkrankung.
Erkrankung:
Man unterscheidet typische Symptomenkomplexe, die eine Borreliose nahelegen:
Erythema migrans:
85% der Borreliosefälle zeigen sich in einem Erythema migrans. Es ist eine Blickdiagnose und erfordert keine Labordiagnose. Fünf bis 30 Tage nach einem Zeckenstich kommt es zu einer sich ausbreitenden, zentral abblassenden Rötung, eventuell in Kombination mit Fieber, Abgeschlagenheit und einem Borrelien-Lymphozytom.
Neuroborreliose:
Beidseitige Fazialisparese (Gesichtslähmung). Eventuell auch schmerzhafte Entzündung mehrerer Nervenwurzeln (Bannwarth-Syndrom), Meningitis, Encephalomyelitis.
Herzmanifestationen:
Im zweiten Stadium der Borreliose kann es auch zu Herzbeteiligung mit AV-Block I. – III. Grades kommen, was aber äußerst selten ist.
Chronische Verlaufsformen:
Selten kommt es zu den chronischen Verlaufsformen: Lyme-Arthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans, Neuropathien an der betroffenen Extremität.
Sogenannte „Chronische Lyme-Borreliose“, „chronische Neuroborreliose“, „post treatment Lyme-Disease“:
Eine größerer Anzahl von insgesamt häufigen Allgemeinsymtomen wie depressive Verstimmtheit, allgemeine muskuloskelettale Schmerzen, Müdigkeit und Verschlechterung der Hirnleistung wird mit einer chronischen Borrelieninfektion oder dem Residuum nach einer Behandlung in Verbindung gebracht. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dazu ist insgesamt noch nicht abgeschlossen. Allerdings ist in den allermeisten dieser Fälle eine Borrelieninfektion als Ursache auszuschließen. Wiederholte oder langdauernde Antibiotikakuren sind ebenfalls nicht erfolgversprechend und daher abzulehnen.
Diagnostik:
Generell besteht das Problem, dass viele Menschen irgendwann in ihrem Leben bereits eine völlig folgenlos ausgeheilte Borrelieninfektion durchgemacht haben und daher eine einfache Bestimmung im Labor für eine Borreliose nicht beweisend ist. Studien zeigen z.B.: 50% aller gesunden Waldarbeiter und 20% aller Orientierungsläufer haben solche positiven Tests. 8% aller gesunden, nicht besonders exponierten Blutspender haben eine positive Serologie. Bei Männern über 60 Jahren findet sich generell bei 20% eine positive Serologie (also so wie bei Orientierungsläufern).
Das bedeutet vor allem, dass eine positive Serologie bei weitem die Diagnose nicht beweist.
Bei typischen Symptomen, kann die Labordiagnostik aber hilfreich sein:
Beim meistens vorliegenden Erythema migrans erfolgt keine Labordiagnostik, es ist eine klinische Diagnose.
Bei anderen Verlaufsformen wird ein zweistufiges Verfahren angewandt: Zuerst wird in einem Suchtest (ELISA) nach Antikörpern gesucht, die dann im sogenannten Westernblot bestätigt werden.
Ist der IgG Westernblot negativ, liegt zu mehr als 99% keine Borreliose vor. Ein positiver Westernblot ist allerdings aufgrund der hohen Durchseuchung auch kein Beweis der Erkrankung.
Ein isoliert vorliegender IgM-Antikörper spricht ebenfalls gegen die Verdachtsdiagnose und ist unvereinbar mit einer Spätmanifestation.
Da sowohl IgG-, als auch IgM-AK nach einer erfolgreichen Behandlung positiv bleiben können, ist eine Kontrolle der Therapie mittels Blutabnahmen nicht sinnvoll.
Bei Verdacht auf eine Neuroborreliose ist eine Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit eine diagnostische Möglichkeit. Die Bewertung der Ergebnisse ist aber Experten vorbehalten und wird ohnehin ausschließlich in einem Spital durchgeführt werden. Die wesentlichen Befunde sind eine sogenannte „Lymphozytäre Pleozytose“ (Vermehrung gewisser weißer Blutkörperchen) mit Eiweißvermehrung in der Rückenmarksflüssigkeit, sowie ein Verhältnis der Antikörper in der Rückenmarksflüssigkeit zu denen im Blutserum, die eine Borreliose nahe legen.
Therapie:
Mittel der Wahl, außer bei Unverträglichkeit, schwangeren Frauen und Kindern ist Doxycyclin (200 mg einmal täglich) zwei Wochen bei Erythema migrans und drei Wochen bei Neuroborreliose oder Lyme-Arthritis. (Nicht gemeinsam mit kalziumhaltigen Milchprodukten oder Antacida).
Alternativ kommt vor allem Amoxicillin oder ein Cephalosporin der dritten Generation in Betracht.
Längere Antibiotikatherapien oder wiederholte Antibiotikakuren sind nicht indiziert.
Vorbeugung:
Zur Vorbeugung gegen Zeckenstiche sollte bedeckende Kleidung getragen werden.
Eventuell Verwendung von zeckenabwehrenden Repellents.
Die Haut soll nach Aufenthalt im Freien mit möglichem Zeckenkontakt abgesucht werden.
Zecken sollen so rasch wie möglich entfernt werden.
Die Stichstelle soll bis zu sechs Wochen auf das Auftreten einer Wanderröte untersucht werden.
Nicht empfohlen: Vorbeugende Antibiotikatherapie nach Zeckenstich. Untersuchung einer entfernten Zecke auf Infektion mit Borrelien.