Einleitung:
Die Infektion der Harnwege, die „Blasenentzündung“ ist häufig.
Stark vereinfachend könnte man sagen, sie betrifft vor allem junge Frauen und alte Männer.
Bei der jungen Frau sind es die Anatomie der ableitenden Harnwege, unter anderem die kurze Harnröhre und eventuell sexuelle Aktivität („Honeymooncystitis“) die dafür prädestinieren.
Beim älteren Mann sind es Harnabflussstörungen, z.B. durch eine vergrößerte Prostata, die anfällig machen.
Während die „Blasenentzündung“ der jungen Frau eine eher harmlose Erkrankung ist, stellt die gleiche Erkrankung beim älteren Mann mit Harnabflussstörung ein relevantes Risiko dar.
Eine weitere Gruppe von Patientinnen, bei denen ein Harnwegsinfekt differenziert gesehen werden muss, sind schwangere Frauen. Bei ihnen besteht die Möglichkeit einer ungünstigen Entwicklung für das Kind.
Ob Diabetiker, postmenopausale Frauen, jüngere Männer, Dauerkatheterträger, alte Menschen und Heimbewohner und Patienten, bei denen urologische Eingriffe geplant sind, differenziert betrachtet werden müssen, ist Gegenstand von Diskussionen.
Letztlich stellen wiederkehrende Harnwegsinfekte ein Problem dar.
Definition und Krankheitsbild:
Eine Infektion der Harnwege liegt vor wenn durch Krankheitserreger (im allgemeinen Bakterien) Krankheitssymptome hervorgerufen werden. Davon sind eine asymptomatische Bakteriurie und Beschwerden, die an einen Harnwegsinfekt erinnern, aber nicht durch eine Infektion der Harnwege hervorgerufen werden (z.B. Reizblase, Urethritis oder vaginale Erkrankungen) zu unterscheiden.
Eine asymptomatische Bakteriurie liegt vor, wenn in Untersuchungen Bakterien im Harn gefunden werden, aber keine Symptome auftreten. Diese Situation ist nicht sehr selten, stellt aber nur in Ausnahmefällen eine Behandlungsindikation dar.
Klinisch unterscheidet man noch zwischen einem oberen und einem unteren Harnwegsinfekt und einem unkomplizierten und einem komplizierten Harnwegsinfekt.
Ein unterer Harnwegsinfekt (die typische „Blasenentzündung“) äußert sich in häufigem Harndrang, Brennen beim Urinieren und Schmerzen oberhalb der Symphyse.
Ein oberer Harnwegsinfekt (die typische „Nierenbeckenentzündung“) äußert sich in Flankenschmerz, klopfschmerzhaftem Nierenlager und Fieber über 38° und oft reduziertem Allgemeinzustand.
Auf eine andere Ursache für die Beschwerden weisen neuer, veränderter Ausfluss aus der Scheide oder eitriger Ausfluss aus der Harnröhre hin.
Als unkompliziert wird ein Harnwegsinfekt eingestuft, wenn keine Anomalien im Harntrakt, keine Nierenfunktionsstörung und keine komplizierenden Begleiterkrankungen vorliegen. Beim Mann wird grundsätzlich von einem komplizierten Harnwegsinfekt ausgegangen, da oft die Prostata als parenchymatöses Organ mitbetroffen ist, bzw. Harnabflussstörungen ursächlich oder komplizierend beteiligt sind.
Von einer rezidivierenden (=wiederkehrenden) Harnwegsinfektion wird gesprochen, wenn sie dreimal jährlich oder öfter, oder zweimal im halben Jahr oder öfter auftritt.
Vorgehen bei unterschiedlichen Patientengruppen:
Nicht schwangere Frauen:
Die typische Symptomatik eines unteren Harnwegsinfektes reicht für die Diagnose aus. Eine kalkulierte antibiotische Behandlung sollte erfolgen. Eine Harnkultur ist nicht unbedingt erforderlich. Lediglich bei nicht eindeutigen Fällen, Rezidiven und Therapieversagern, sollte eine Harnkultur angelegt werden.
Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten sollte eine einmalige Ultraschalluntersuchung und eine Harnkultur erfolgen.
Da das Risiko einer Komplikation gering und eine Heilung ohne Therapie wahrscheinlich ist, kann auf Patientenwunsch auch eine antibiotische Therapie unterbleiben. D-Mannose und verschiedene Phytopharmaka stehen alternativ zur Verfügung.
Eine Kontrolle des Therapieerfolges ist bei Beschwerdefreiheit nicht nötig.
Bei Rezidiven sollte eine Urinkultur angelegt werden und das Antibiotikum gewechselt werden.
Bei der asymptomatischen Bakteriurie in dieser Patientengruppe unterbleibt die antibiotische Behandlung.
Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten kommt eine antibiotische Langzeitprävention in Frage. Vor einer antibiotischen Langzeitprävention sollten aber die unten angeführten Punkte beachtet werden.
Schwangere ohne Begleiterkrankungen:
Die Diagnostik bei symptomatischen Schwangeren sollte immer auch eine Urinkultur beinhalten. Eine antibiotische Therapie sollte erfolgen. Nach erfolgter antibiotischer Therapie sollte der Erfolg wieder mittels Urinkultur dokumentiert werden.
Ein Screening bei asymptomatischen Schwangeren wird kontrovers diskutiert. Bei einem positivem bakteriologischen Befund (asymptomatische Bakteriurie) sollte aber jedenfalls eine antibiotische Therapie erfolgen.
Männer:
Von einem unkompliziertem HWI kann nur nach Ausschluss von Komplikationen gesprochen werden. Die Prostatitis und die Urethritis sind wesentliche Differenzialdiagnosen.
Die Diagnose sollte mittels Harnkultur bestätigt werden.
Alte Patienten, Pflegeheimbewohner:
Bei alten Patienten äußert sich der Harnwegsinfekt nicht immer typisch, beziehungsweise werden die Beschwerden oft nicht klar angegeben. Gerade bei dementen, desorientierten Patienten besteht dieses Problem. Auf der anderen Seite ist ein Harnwegsinfekt ein häufiger Grund für Zunahme von Desorientiertheit bis zum Delir.
Folgende Probleme können sich dadurch ergeben:
• Eine asymptomatische Bakteriurie, die nicht behandlungsbedürftig ist kann vorliegen.
• Eine asymptomatische Bakteriurie kann gemeinsam mit Symptomen vorliegen, die auch bei einem Harnwegsinfekt vorkommen, aber trotzdem im speziellen Fall nicht darauf zurückzuführen sind, z.B. eine kontinuierlich vorliegende Inkontinenz.
• Symptome, die nicht typisch für den Harnwegsinfekt sind, können im Vordergrund stehen. Ein positiver Harnbefund kann dadurch fälschlich als „asymptomatisch“ eingestuft werden. Insbesondere psychiatrische Symptome, wie Verwirrtheit seien genannt.
Erregerspektrum und Urinkultur:
Bei typischer Symptomatik werden bereits Erregerzahlen von 10 hoch 3-4 als relevant gewertete, wenn es sich um Reinkulturen typischer Uropathogene handelt.
Die häufigsten Erreger von unkomplizierten Harnwegsinfekten sind Escherichia coli, Stapphylococus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis.
Antibiotikaauswahl bei der unkomplizierten Cystitis:
Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, (Trimethoprim) sind aufgrund der Resistenzlage und Wahrscheinlichkeit von Kollateralschäden die Antibiotika erster Wahl.
Chinolone und Cephalosprine sollten nicht als Antibiotika der ersten Wahl eingesetzt werden.
Dosierungsbeispiele für unkomplizierte Cystitis: Fosfomycin 3000 mg Einmalgabe, Pivmecillinam 400 mg 2 (-3) x tgl. für 3 Tage.
Grenzfälle der Antibiotikatherapie beim unkomplizierten Harnwegsinfekt:
• Bei der unkomplizierten Zystitis der nicht schwangeren (jüngeren) Frau sollte eine antibiotische Therapie erfolgen. Da Komplikationen selten sind, kann sie auch auf Patientinnenwunsch unterbleiben. In diesem Fall kann eine alternative Behandlung angeboten werden (Mannose, Cranberrypräparate, Bärenkraut, Kapuzinerkresse, Meerrettichwurzel, ausschließlich analgetische Behandlung)
• Beim rezidivierenden Harnwegsinfekt stehen verschiedene Alterativen zur kontinuierlichen antibiotischen Prophylaxe zur Verfügung:
o Eine Beratung bezüglich Risikoverhaltens sollte erfolgen.
o Das orale Immunprophylaktikum UroVaxom® sollte über 3 Monate eingesetzt werden.
o Das Immunprophylaktikum StroVac® (einmal wöchentliche Injektion) kann eingesetzt werden.
o Mannose und verschiedene Phytotherapeutika können erwogen werden. (Bärentraubenblätter, Kapuzinerkresse, Meerrettichwurzel, Cranberry)
o Bei häufigem HWI nach Geschlechtsverkehr kann eine postkoitale Einmalprophylaxe erwogen werden.
o Eine antibiotische Kurzzeittherapie nach Selbstdiagnose kann erwogen werden.
• Bei alten Menschen ist aufgrund der oft unspezifischen Symptomatik die Entscheidung ob ein Harnwegsinfekt vorliegt erschwert.
Phytopharmaka in der Behandlung des Harnwegsinfektes:
Wirkmechanismen:
Als Wirkmechanismen in der phytotherapeutischen Behandlung des Harnwegsinfektes kommen die Desinfektion der Harnwege, die Verhinderung der Anhaftung der Bakterien an die Schleimhäute der Harnwege und damit Behinderung der Invasion der Bakterien und eine Durchspülungstherapie in Frage.
• Harnwegsdesinfizientia
o Phytoparmaka die Arbutin und ähnliche Phenolglycoside enthalten
Bärentraubenblätter (Uvae-ursi folium)
Preiselbeerblätter (Folium vitis-idaea)
Birnenblätter
o Phytopharmaka die Senfölglycoside enthalten
Kren (Armoracia rusticana)
Kapuzinerkresse (Trapaeolum majus)
Brunnenkresse (Nasturcium officinale)
• Antiinasiva/Adhäsionshemmer
o Phytopharmaka die Oligomere Procyanidine enthalten (OPC´s, =Proantocyanidine PAC)
Cranberries (Vaccinium marcocarpon)
Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea)
• Durchspülungstherapie (Auswahl)
Goldrutenkraut (Solidaginsie herba, Solidaginis vigaureaae herba)
Birkenblätter (Betulae folium)
Brennesselkraut (Urticae herba)
Hauhechelwurzel (Ononidis radix)
Schwarze Johanniskrutblätter (Ribis nigri folium)
Liebstöckelwurzel (Levisitici radix)
Schachtelhalmkraut (Equiseti herba)
Wacholderbeeren (Juniperi frucus)
Bruchkraut (Herba herniaria)
Phytopharmaka und Teedrogen:
Species urologicae ÖAB
• Folium uvae ursi (Bärentraubenblätter) 35,0
• Herba herniariae (Bruchkraut) 35,0
• Folium betulae (Birkenblätter) 35,0
Ein Harnwegsdefiziens (Bärentraubenblätter) mit zwei die Durchspülung anregenden Drogen gemischt.
Cranberry complex Dr. Böhm® (Nahrungsergänzungsmittel)
Trockenextrakt aus Cranberry (Adhäsionshemmung), Brunnenkresse und Meerrettich (Harnwegsdefizienzien)