Unter Reisemedizin versteht man den Bereich der Medizin, der sich mit der Vorsorge, auch durch Impfungen, der Diagnostik und Therapie der auf Reisen erworbenen Erkrankungen befasst. Die Reisemedizin überschneidet sich mit der Tropenmedizin.
Oft wird Reisemedizin auf die zweifellos wichtigen Teilbereiche Malariaprophylaxe und Impfen reduziert verstanden. Das sind auch die beiden Punkte, die häufig von Patienten nachgefragt werden.
Im Sinne eines umfassenderen Verständnisses der Spezialisierung gehören aber wesentlich mehr Teilbereiche zur Reisemedizin.
- Feststellung der Reisetauglichkeit
- Beratung über eingeschränkte Reisetauglichkeit
- Ausstellung von diversen Bestätigungen
- Beratung zu anderen reiserelevanten Themen
- Flugreise
- Tauchen
- Sonnenschutz
- Expositionsprophylaxe
- Höhenmedizin
- Reiseapotheke
- Reisediarrhoe
- Stellenwert anderer Gefahren für die Gesundheit auf Reisen
- B. Unfälle, Herzinfarkt usw.
- Malariaprophylaxe
- Reiseimpfungen
- Diagnostik und Therapie von auf Reisen erworbenen Erkrankungen
Die genaue Kenntnis der Empfehlung für Malariaprophylaxe und Impfungen, je nach Reiseziel, Demographie und Reisestil überschreiten das Wissen, das vom Allgemeinmediziner erwartet werden darf.
Trotzdem können diese Themen in einem Überblick verständlich gemacht werden.
Zusätzliche Tools ermöglichen dann auch eine korrekte Beratung.
z.B: das online Tool „Referenzhandbuch Impf- und Reisemedizin“, oder das CRM Handbuch für Reisemedizin
Reiserückkehrer und reisemedizinisch relevante Erkrankungen
Eine unüberschaubare Anzahl möglicher Erkrankungen, die auf Reisen erworben werden können, stellen von vornherein in Frage, ob der Allgemeinmediziner diesen Bereich der Reisemedizin abdecken kann.
Die tatsächliche Epidemiologie und ein strukturiertes Vorgehen, das sich an der sonst auch in der Allgemeinmedizin üblichen Arbeitsweise orientiert, machen es aber tatsächlich sinnvoll, dass der Allgemeinmediziner auch bei auf Reisen erworbenen Erkrankungen als Primärversorger tätig wird.
Die häufiger zu erwartenden Syndrome sind:
- Gastrointestinale Beschwerden sehr häufig
- Fieber sehr häufig
- Ikterus selten
- Hauterkrankungen gelegentlich
Wie immer in der Allgemeinmedizin steht an erster Stelle des Vorgehens der Ausschluss abwendbar gefährlicher Verläufe.
Fieber:
Bei jedem Fieber ist nach einem Aufenthalt in einem Malariaendemiegebiet die Infektion mit Plasmodium falciparum auszuschließen.
Dafür stehen Point of care Tests zur Verfügung, die zu diesem Zweck gut geeignet sind.
Für die Beurteilung des Schweregrades der Infektionskrankheit ist es sinnvoll den quickSofa Score (Bewußtseinsveränderungen, RR syst unter 100, Atemfrequenz über 22) heranzuziehen. Für die allgemeine Beurteilung der Bedrohung sind auch Begleitsymptome wichtig (neurologische Symptomatik, abdominelle Symptomatik, Cyanose, Ikterus, Hämorrhagien)
Sind keine abwendbar gefährlichen Verläufe zu erwarten, kann die weitere Diagnostik wie in der Allgemeinmedizin üblich erfolgen.
Bei Fieber steht bereits an 2. Stelle der Häufigkeit (nach Malaria) der respiratorische Infekt, der so abgeklärt wird, wie immer in der Allgemeinmedizin. Die Häufigkeitsangabe entstammt Angaben spezialisierter Spitalsabteilungen. in der Praxis für Allgemeinmedizin wird die Malaria auch bei Reiserückkehrern viel seltener sein.
Dengue nimmt an Bedeutung rasant zu. Schwere Verläufe sind sehr selten. Eine Erkrankung an Denguefieber ist daher per se nicht „abwendbar gefährlich“. Eine Diagnostik kann mittels POC erfolgen. Eine Spitalseinweisung ist nur bei Verdacht auf einen schweren Verlauf nötig. Wieder wird der quickSofa hilfreich sein. Außerdem sind starke abdominelle Schmerzen, starke Blutungsneigung, Ödeme und ein Absinken des Fiebers bei gleichzeitiger Verschlechterung des AZ Warnhinweise für schwere Verläufe. Allgemein wird davor gewarnt bei hämorrhagischen Fiebern ASS zur Fiebersenkung zu verwenden.
Ein größerer Teil (viraler) Fieberursachen wird auch an Spezialabteilungen nicht diagnostiziert. Es besteht Konsens darüber, dass eine überbordende Diagnostik nicht sinnvoll ist, wenn der Verlauf gutartig ist. Auch hier gilt wieder, dass nur schwere Verläufe von einer Spitalseinweisung profitieren werden.
Ein Andauern des Fiebers über eine Woche ist ebenfalls ein Einweisungsgrund.
Bei der Häufigkeitsverteilung der Fieberursachen und Verläufe wird also der Patient von einer allgemeinmedizinischen Herangehensweise profitieren. Als Besonderheit ist lediglich der Ausschluss einer Malaria, ggf. mittels POC zu fordern. Sinnvoll können POC´s auch zum Nachweis von Dengue und Influenza verwendet werden.
Diarrhoe:
Wenngleich sich das Erregerspektrum und insbesondere die Häufigkeiten auf Reisen, besonders in tropische Gebiete von denen bei in Österreich erworbenen gastrointestinalen Infektionen unterscheiden, ist zunächst das gleiche Vorgehen sinnvoll.
Als Warnhinweise gelten Fieber, Blut im Stuhl und massive Bauchkrämpfe, sowie die allgemeine Schwere der Erkrankung. Risikopopulationen sind Vorerkrankte und kleine Kinder.
Diagnostisch kann eine Stuhlkultur durchgeführt werden (Campylobakter, Yersinia, Shigella, Salmonella). Bei entsprechender Anamnese (AB) auch Clostridium plus Toxine.
Erst bei Andauern der Beschwerden sollte für eine Stufendiagnostik überwiesen werden (Viren, Parasiten)
Bei der Häufigkeitsverteilung der Diarrhoeursachen und Verläufe wird also der Patient von einer allgemeinmedizinischen Herangehensweise profitieren.
Ikterus:
Die Diagnostik und Therapie des Ikterus wird meiner Meinung nach sinnvoller Weise in einer Krankenhausabteilung erfolgen. Der Ikterus ist auch bei Reiserückkehrern selten.
Hauterkrankung:
Je nach Kenntnisstand können einige Hauterkrankungen eventuell als Blickdiagnose erkannt und auch vom Allgemeinmediziner behandelt werden. Oft wird eine Überweisung zum Hautarzt sinnvoll sein.
Bei Behandlung durch den Allgemeinmediziner ist auch die Mitbehandlung von Kontaktpersonen zu beachten (z.B. Skabies)
Malaria:
Ungefähr 2000 Menschen sterben täglich an Malaria. Die meisten davon sind Kinder in Afrika.
Die Malaria ist also trotz Erfolgen in der Bekämpfung nach wie vor eine global häufige und sehr schwere Erkrankung.
Im touristischen Reiseverkehr ist die Malaria eigentlich relativ selten.
Aber: Malaria ist die häufigste Todesursache beim Tropenheimkehrer
Die Prognose ist sehr gut bei sofortigem Therapiebeginn. Sie verschlechtert sich bereits nach einer Verzögerung von 24 Stunden drastisch.
Somit ist Malaria reisemedizinisch äußerst relevant.
Prophylaxe:
- Exposititionsprophylaxe
- Notfallselbsttherapie
- Permanente medikamentöse Prophylaxe
Zur Prophylaxe gibt es aktuelle Empfehlungskarten z.B. Referenzhandbuch Impf- und Reisemedizin
Implikation beim Reiserückkehrer:
Bei jedem Fieber eines Reiserückkehrers aus einem Malariaendemiegebiet ist sofort eine Malaria auszuschließen.
Die Therapie wird sinnvoll an einer Spezialabteilung erfolgen.
Impfungen vor Reisen
Bis auf die FSME (Frühsommermeningoencephalitis, „Zeckenimpfung“) kommen alle Erkrankungen, gegen die Impfungen und regelmäßige Auffrischungsimpfungen im Österreichischen Impfplan empfohlen sind, weltweit vor. Manche dieser Impfungen werden gerade bei Reisen relevant (z.B. Diphterie, Polio).
Daher ist die erste Empfehlung rechtzeitig zu überprüfen, bzw. überprüfen zu lassen, ob man die Impfempfehlungen des Österreichischen Impfplans erfüllt hat, ob die Dokumentation (Impfpass) vorhanden ist und ob Auffrischungsimpfungen anstehen.
Danach ist die Notwendigkeit der eigentlichen Reiseimpfungen zu überprüfen.
Hepatitis A:
Häufigste durch Impfung verhinderbare Infektion in der Reisemedizin.
Die Impfung ist für alle außereuropäische Reisen mit Ausnahme der Industrienationen (Australien, Japan, USA, Kanada) zu empfehlen.
Die Impfung besteht aus zwei Impfungen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten. Die Schutzwirkung beginnt bereits wenige Tage nach der ersten Impfung. Auffrischungsimpfungen sind nicht nötig. Auch 30 – 40 Jahre nach der Grundimmunisierung sind noch Antikörper nachweisbar. Lediglich 2 – 3 % aller Geimpften haben zehn Jahre nach der Grundimmunisierung keinen Schutz mehr.
In vielen Entwicklungsländern ist allerdings die Durchseuchung der Bevölkerung mit Hepatitis A 100% und daher die Infektionsgefahr für Touristen gegeben. Für Reisen in solche Länder ist daher bei länger zurück liegender Grundimmunisierung eine Auffrischung, oder eine Titerbestimmung sinnvoll.
Es stehen Impfstoffe für Hepatits A alleine, oder in Kombination mit Hepatitis B, oder mit Typhus zur Verfügung.
Gelbfieber:
Außer der individuelle Schutz vor Gelbfieber müssen auch die Einreisebestimmungen mancher Staaten beachtet werden. In diesen Fällen geht es darum, die Staaten vor Einschleppung der Erkrankung zu schützen (International Health Regulations).
Die Impfung muss spätestens 10 Tage vor Reiseantritt verabreicht werden.
Man kann nach einer einzigen Impfung in vielen Fällen von lebenslangem Schutz ausgehen. Deshalb verpflichten Vorschriften der WHO nur mehr zu einer einmaligen Impfung. Allerdings war früher nur ein 10 jähriger Schutz garantiert. Die Gesetze der einzelnen Länder haben diese Änderung noch nicht durchgehend übernommen, so dass, was die Einreisebestimmungen anlangt, die individuelle Situation eruiert werden muss.
In besonderen individuellen Situationen wird auch weiterhin eine Auffrischungsimpfung zu empfehlen sein.
Typhus:
Die Erkrankungswahrscheinlichkeit hängt stark mit den hygienischen Verhältnissen (Abwasserhygiene, Müllhygiene, Lebensmittelhygiene) des jeweiligen Landes und dem individuellen Reisestil zusammen.
Für Südasien, große Teile Afrikas, sowie manche Andenstaaten ist die Impfung auf jeden Fall zu empfehlen.
Die einmalige Impfung mit dem intramuskulären Totimpfstoff schützt ca. für 3 Jahre. Die Impfung soll zumindest 2 Wochen vor Abreise verabreicht werden.
Japanische Encephalitis:
Diese virale, durch Mücken übertragene Encephalitis ist in Süd- und Ostasien verbreitet. Sie verläuft ähnlich wie die FSME, das Virus ist auch mit dem FSME-Virus verwandt (Flavivirus)
Obwohl die Infektion in 99% leicht verläuft, versterben von den schwer Erkrankten 30%, 30% erleiden dauernde neurologische Folgeschäden.
Zwei Impfungen im Abstand von ungefähr 4 Wochen sind vorgesehen, sowie eine Auffrischung nach weiteren ein bis zwei Jahren. Dann besteht Impfschutz für etwa 10 Jahre.
Insgesamt ist das Risiko für Reisende sehr gering an Japanischer Encephalitis zu erkranken. Lange Aufenthalte, insbesondere am Ende der Regenzeit, in Gegenden mit Reisanbau am Land und nächtliche Outdoor-Aktivitäten erhöhen das Risiko.
Meningokokken:
Meningokokken kommen auch in Europa inklusive Österreich vor. Die Impfung gegen Meningokokken ist auch im Österreichischen Impfplan enthalten.
Als Reiseimpfung spielen Meningokokken vor allem in Subsahara-Afrika eine wesentliche Rolle, mit epidemieartigen Ausbrüchen. Es sollte die Impfung gegen die Serogruppen A,C,W und Y verwendet werden. Eine einzige Impfung sollte dauerhaften Impfschutz gewährleisten. Eine Auffrischungsimpfung nach 5 Jahren sollte sicherheitshalber erfolgen.
Tollwut:
Tollwut ist eine Erkrankung, die durch Kontakt mit infizierten Tieren übertragen wird. Dabei ist natürlich der Biss die Hauptübertragungsart, ablecken kann aber schon genügen. Tollwut kommt prinzipiell weltweit vor. Als tollwutfrei gelten weiter Teile Europas (nicht Osteuropa), Australien, Japan und viele karibische und pazifische Inseln.
Klassische Überträger sind Hund und Fuchs, aber auch viele andere Tiere, insbesondere Fledermäuse und Affen.
Tollwut verläuft immer tödlich, wenn die Erkrankung einmal ausgebrochen ist.
Die Impfung besteht aus drei Teilimpfungen innerhalb von 3 Wochen. Davon abweichende (schnellere) Impfschemata sind möglich.
Dengue-Fieber:
Eine Impfung ist zugelassen, aber in Europa nicht verfügbar. Sie eignet sich nur dazu, neuerliche Erkrankungen, wenn man schon einmal eine Infektion durchgemacht hat, zu verhindern. Somit ist die Impfung für die Reisemedizin im Allgemeinen nicht geeignet.